"Vergessen Sie eines nicht, das Leben ist eine Herrlichkeit."
- Rainer Maria Rilke (1875-1926)

Sonntag, 20. April 2014

Jeden Tag ein bisschen

Obwohl die meisten unter uns augenscheinlich gesund, munter und glücklich sind; die Augen verraten einen Menschen. Wenn ein Gegenüber lacht, ohne dass die Augen glitzern, funkeln und sprühen, haben sie das Glück vergessent.
Da heutzutage der Mensch sich vor allem 'neu erfinden' muss, und das am liebsten jede Woche, sodass man wandelbar und aufregend bleibt für Mitmenschen, Gesellschaft und potentielle Geschlechtspartner, geht bei vielen irgendwo auf diesem 'Wer-Bin-Ich-Eigentlich' das wahre Ich verloren. Vor lauter Charakterentwicklung geht der Beginn flöten; und dann steht man da, ohne Anfang, ohne Mitte, und ohne Ende. Da wird nach Alternativen gesucht, die das Ich nach außen präsentieren können, sodass bloss niemand die innere Verzweiflung erkennt. Denn alles was anders ist, oder sich augenscheinlich davon entfernt, wird als Bedrohung gesehen.
Aber sobald der Mensch seine eigene, persönliche Geschichte, Vorlieben und Emotionen wegoptimiert, wird er zur grauen Masse der Suchenden. Die Suchenden suchen, obwohl sie es eigentlich schon gefunden hatten; wer als Kind wusste nicht genau was Spaß gemacht hat, welches Essen gut oder ekelig geschmeckt hat, welche Freunde man aufrichtig mochte? Als kleine Kinder hören wir noch ganz natürlich auf unser Bauchgefühl, auf unsere innere Stimme. Durch die selbst auferlegte Selbstoptimierung der Erwachsenenjahre haben wir unser inneres Kind verloren, welches ganz genau wusste, was unsere Träume, Vorstellungen und Pläne für das Leben sind. Ab dem Moment, in dem ein Mensch sein inneres Kind, seine innere Stimme verloren hat, geht der Glanz in den Augen flöten, und guckt aus dem Spiegel eine leere Hülle zurück, die verzweifelt ausgefüllt wird durch Konsum, Exzess und Maskierung.
Aber das muss nicht sein. Jeder kann sich erinnern an seine Kinderzeit, egal ob ein paar Momente oder minutiös. Die Gerüche, Geschmäcker und Freuden brennen sich in die Gehirnzellen. Wie beim Fahrradfahren verlernt man nicht das Glücklichsein, man verdrängt es nur. Lassen wir unseren Körper einfach machen, sich erinnern, sich sehnen und aus diesen Gefühlen handeln.Lassen wir uns durch unsere inneren Kinder geleiten. Sie sind immer da und hilfsbereit, man muss sie nur fragen. Jeden Tag ein bisschen öfter.

Montag, 31. März 2014

Unsäglich glücklich

Rainer Maria Rilke (1875-1926) stellte die Freude weit über das Glück. 

"Glück bricht über die Menschen herein, Glück ist Schicksal, Freude bringen sie in sich zum Blühen, Freude ist einfach eine gute Jahreszeit über dem Herzen; Freude ist das Äußerste, was die Menschen in ihrer Macht haben."[1]

Was Rilke damit meinte, ist, dass man sich das Glück nicht machen kann. Glück kommt unerwartet, es passiert, es überkommt. Wenn das passiert, kann man es nur dankbar entgegen nehmen. Für die Freude allerdings, sind wir selbst verantwortlich. Wir entscheiden selber, wie wir auf unser Schicksal reagieren. 
Schicksal passiert, da kann man oft nichts dran verändern, aber wie wir drauf reagieren, haben wir selber in der Hand. Wenn das Auto kaputt geht kann man fluchen, schreien und die Faust zum Himmel heben. Den Automechaniker anblaffen und sich über die Unfähigkeit des a) Autoherstellers und b) Automechanikers, der keine magic touch hat und das Auto nicht in Null-Komma-Nix wieder repariert hat. Man kann sich aber auch dazu entscheiden mit dem Mechaniker ein Pläuschen zu halten, tief einzuatmen während man auf den Reparationsbefund wartet und sich an Sonne/Regen/Wind/Vogelgezwitscher erfreuen. Dass das Auto platt liegt, daran kann man in dem Moment sowieso nichts verändern. Wie wir auf die Schönheit der Welt und auf die Menschen reagieren, denen wir täglich begegnen, schon.

Natürlich kann ich mir die Freude nicht einfach befehlen. Aber wenn ich mich offen auf das einlasse, was ist, und wenn ich es mit einem staunenden und ehrfürchtigen Blick wahrnehme, dann wird in mir die Freude wachsen. Ich kann also üben, mich zu freuen. Ich kann Freude wachsen lassen, wenn ich mit den Dingen achtsam umgehe.




[1] Grün, A. (2011). Das kleine Buch der Lebenslust. Herder